Nummer 4: Weil sich ja sonst niemand darum kümmert und damit keiner fragt: "Hört der seine komischen deutschen Sachen nicht mehr?", hier also der Quotendeutsche, mit alles anderem als einem Quotenalbum.
Schon 2005 mit "Komm Besser Ins Haus" in meiner Jahreshitparade vertreten, einem Album sehr pianolastig, sehr textlastig, sehr intim. In der Zwischenzeit ist bisschen was passiert, es gab eine EP, die schon andeutete, dass Johann Scheerer sein Spektrum um einige, nennen wir es Geräusche, erweitert hat und mit "Sag Mal Johann" eine 7", die inklusive dreier Remixe ganz Großes für das Album erwarten ließ. Und wie so selten, große Erwartungen werden manchmal sogar übererfüllt.
Was sich bei der EP schon andeutete, wird sofort im Eröffnungstück "Vergiss den Staub, Julia" bestätigt, dieses ganz sanft poetische ist einem etwas Gebrochenerem Ambiente gewichen, wobei die hierfür verwendeten Sounds und Töne nie plakativ vordergründig eingesetzt werden, sondern wunderbar in die Stücke integriert, so dass man sie fast nur nebenbei wahrnimmt und sie tatsächlich nur unterstützenden Charakter haben. Wenig geändert, und das ist gut so, hat sich an den Texten, die immer noch wunderbar kleine oftmals persönlich klingende Geschichten erzählen, Texte, die so nah am Leben sind, dass es manchmal fast wehtut, Texte, die auf abstrakte Phrasierungen, wie sie so gern beim hochgejubelten Tocotronic-Album verwendet werden, vezichten. Hier will niemand klug klingen, hier klingt man verliebt, verletzt, von mir aus desillusioniert, aber vor allem lebendig. Manchmal könnte einem, ginge man davon aus, dass hier alles autobiographisch wäre, Angst und Bange werden um diesen jungen Mann. Dann wirkt er in seiner Verzweiflung fast wie ein deutscher Elliott Smith, ohne hoffentlich dessen Weg zu gehen.
"Sag mal Johann kann es sein, dass du ständig müde bist, und ist es möglich, dass kein Schlaf hilft und du irgendwas vermisst? Keine Antwort, weil ich denk, dass es keine Frage ist, und weil ich ständig müde bin, und weil ich irgenwas vermiss"
oder
"Vergiss den Staub, wirbel dich herum, vergiss, dass du taub bist für eine Sekunde, für einen Tag... nur die eine Stunde in der ich dir sag, dass noch alles offen ist, wenn du magst"
oder
"Die Hoffnung, dass es Plätze gibt, die Wärme spenden können, die geht Hand in Hand, mit der Angst dass sie verbrennen"
oder, oder oder... mit sowas hat man micht sofort und lässt mich auch nicht mehr los. Mit "Balkon" hat Karamel dann, bewusst oder unbewusst, auch gleich noch den Gegenentwurf zu Bernd Begemanns Strandbild aus "Wenn wir Glück haben" erschaffen. Während zwei zusammen alt gewordene Liebende bei Begemann glücklich dem gemeinsamen Lebensabend in Traumkuklisse entgegentanzen, hat man sich hier im Grau in Grau auf dem Balkon der Neubausiedlung nur noch wenig zu sagen. Ja schön im Sinne von hübsch und fröhlich ist wenig in den Texten Johann Scheerers, aber schön sind sie, seine Texte. Bitte, auch für Muffel des deutschsprachigen Liedgutes , unbedingt mal reinhören.
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